Gedanken zur eigenen Verarbeitung belastender Einsätze

Sehr wichtig zum Schutz der eigenen psychischen Gesundheit ist es, dass der/die Notfallseelsorger/in selbst geeignete Möglichkeiten der psychischen Verarbeitung belastender Situationen kennt, sie trainiert und anwendet. Seelsorger/innen sind Menschen wie alle anderen, keineswegs allmächtig oder unverletzlich und so wenig wie andere vor seelischer Überforderung und daraus resultierender psychosomatischer Erkrankung gefeit.

Der/die Notfallseelsorger/in trifft in seiner/ihrer Arbeit auf Menschen, die äußerste seelische Belastungen verkraften müssen. Er/sie teilt diese ein wenig mit ihnen und "trägt" so "des anderen Last" (Gal. 6,2). Diese Last, die dann auf den Seelsorger/innen liegt, muss auch ihnen abgenommen werden: Im Gebet werden sie Trauer und Sorge in Gottes Hände legen. Zugleich werden sie aber andere Menschen brauchen, die nun ihre Last zu tragen helfen. So wird sie auf mehrere Schultern verteilt. Andere werden ihnen, den Notfallseelsorger/innen, zu Seelsorger/innen.

Vor dem Einsatz:

  • Mit dem Partner/der Partnerin rechtzeitig sprechen über seine/ ihre Bereitschaft und Möglichkeit "mitzutragen" und "aufzufangen".
  • Mit mehreren Kolleg/innen und Freund/innen die verbindliche Vereinbarung treffen, dass sie sich im Notfall Zeit nehmen für ein Gespräch, am selben Tag noch oder auch nachts, wenn nötig. Ihnen - vorher - deutlich machen, wie wichtig das ist.
  • Ggf. rechtzeitig klären, wie eigene Kinder im Alarmfall betreut werden können: durch Großeltern, gute Freunde, Nachbarn. (Schnellste Erreichbarkeit ist wichtig.)
  • Im eigenen Arbeitsfeld (Gemeinde, Krankenhaus, Schule,...) auf die Möglichkeit einer Alarmierung hinweisen und das dann notwendige Verhalten durchdenken. (In der Regel wird man auf viel positive Resonanz stoßen!)
  • Wenn irgend möglich, diese Aufgabe nicht ohne oder gar gegen den Willen der Gemeinde, des Arbeitgebers, des Vorgesetzten beginnen. Für die Notfallseelsorge werben und sich beauftragen lassen!


Nach dem Einsatz:

  • Erzählen, erzählen, erzählen ...
  • Einen Bericht anfertigen, in dem neben den äußeren Einzelheiten auch die eigenen Gefühle und, vor allem, die erlebten Grenzen und vielleicht gemachten "Fehler" vorkommen.
  • Im Gebet die betroffenen Menschen, sich selbst und mir liebe Menschen der Sorge Gottes anvertrauen.
  • Eigene Grenzen benennen und an Luthers "Pecca fortiter! Sündige tapfer!" denken. Nur wer nichts macht, macht keine Fehler!
  • Vorsicht vor Zerstreuung! Anstehende Aufgaben unmittelbar nach dem Einsatz verschieben oder delegieren.
  • Vorsicht bei Alkohol, Schlafmittel etc..
  • Sich kreativ und körperlich betätigen: aufräumen, spazieren gehen, Sport treiben, Musik, eigenes Hobby, Gartenarbeit...
  • Ausreichend schlafen.

Nach einiger Zeit überprüfen, welche Kompetenz während dieses Einsatzes (noch) gefehlt hat und sie dann gegebenenfalls erwerben.

Pastor Oliver Gengenbach, 8/93